Frei wie der Wind
Dezember 2016 | Atlantiküberquerung
St
Logbuch Freedom: der ARC am 20. November, unsere aktuelle Position unter:
Gran Canaria, Las Palmas, 20.11.2016, 12:20 Uhr: Motor an, Ausfahrt aus dem Hafen nach Sicht
Nach Wochen der Vorbereitung geht es heute los. Wir haben die Nacht über nicht mehr so gut geschlafen und
sind jetzt schon ein wenig aufgeregt. Am Vormittag wird noch Essen vorgekocht und der Anker abgefendert.
Unsere Familie kommt nochmal vorbei, sowie spontaner Besuch aus der Heimat und verabschiedet uns. Um
12:20 legen wir ab, denn um 13:00 Uhr ist der Start der Cruising Division. Die Athmosphäre im Hafen ist
unglaublich, denn es sind viele Zuschauer gekommen, die uns
feierlich verabschieden, was für uns sehr emotional ist.
Wir fahren aus dem Hafen, setzen Segel und sind “just in time” in
der Nähe der Startlinie, als mit einem Schuss des Marinebootes
die Cruising Division gestartet wird. Wir haben leichten Wind aus
NE und setzten den Genacker.
Den ganzen
Nachmittag stehen
wir noch unter Strom
und geniessen die
Fahrt in er großen
Flotte, zum Abend
hin hat sich das Feld schon verteilt.
Der Wind ist etwas stärker geworden, sodass wir den Genacker
bergen und mit “Schmetterling” (Vorsegel auf der einen Seite
Großsegel auf der anderen) weiterfahren. So geht es in die erste
Nacht. Ab 20 Uhr bis 8 Uhr morgens gib es einen Wachplan, die
längste Wache sind 3 Stunden.
In der ersten Nacht bemerke ich, dass an einem Waschbecken die
Schlauchschelle aufgegangen ist und wertvolles Frischwasser in die
Bilge läuft, da wir die Wasserpumpe angelassen haben. Wir schalten
die Pumpe ab, beheben das Problem und pumpen das Wasser aus
der Bilge. Wir haben ca. 50l Frischwasser verloren. Das fängt ja gut
an!
Die nächsten Tage vergehen schnell, wir sind noch so euphorisch,
dass wir jetzt unterwegs sind und es gibt viel zu tun, E-mails abrufen
(Wetter, Positionsreports, “Fleet Messages”), Funkrunde,
Segelstellung prüfen und optimieren. Außerdem ist man in der
Gewöhnungsphase an den Bordalltag, die Schiffsbewegungen und
die Wachen. Die erste Woche kommen wir gut voran. Wir hatten uns bei der Abfahrt noch nicht für eine Route
entschieden (kürzeste Strecke oder erstmal SW Richtung Kap Verden), da das Wetter weder für die eine noch
die andere Route ideal war. Wir studieren jeden Tag die Grip-files und die Wettervorhersage für die nächsten
Tage sieht es nicht rosig aus . Nach 7 Tagen auf See haben wir 795 sm geschafft.
Die zweite Woche beginnt mit wenig Wind der noch weniger wird bis hin zur Flaute. Das waren die
nervenaufreibendsten Tage überhaupt. Das einzig schöne daran war der Besuch von vielen Delfinen.
Es war zu wenig Wind um den Genacker oder Parasailor zu setzten, keiner von beiden blieb stehen. D.h. Motor
an. Nach jedem Tag motoren und checken der Wettervorhersage rechnen wir, wie lange wir noch motoren
können. Wir haben 200l Diesel im Tank plus 120l in Kanistern dabei. Ein gewisses Minimum brauchen wir für das
Strommachen und die Einfahrt in die Marina. An den Tagen an denen wir motort sind, haben wir nur ein Etmal
(sm/24h) von um die 80 sm geschafft und dadurch Zeit verloren. Erst gegen Ende der Woche hat der
Wetterbericht Wind weiter südwärts gemeldet. Wir haben
entschieden dorthin zu motoren und das war eine richtige
Entscheidung, denn am Samstag der zweiten Woche konnten
wir wieder durchgehend segeln. Seit wir in der Flaute steckten,
hat Hermann geangelt und nach einigen Tagen vergebener
Mühe, hatten wir am Samstag einen Fisch an der Angel, einen
Mahi Mahi. Wir haben Fillets runtergeschnitten und konnten
damit drei Mahlzeiten bestreiten. Der Mahi Mahi hat keine
Gräten und ist geschmacklich sehr sehr gut.
Die dritte Woche haben wir dann wieder gut Fahrt gemacht,
der Wind war konstant und mit durchschnittlich 4 Beaufort
optimal. Wir sind “Schmetterling” gefahren und es hat richtig
Spaß gemacht. Und wir waren froh endlich die Flaute
überwunden zu haben, denn nach der 2. Woche hatten wir
erst 1464 sm geschafft also noch nichtmal die Hälfte der
Strecke. Die Essens- und Wasservoräte wurden kontrolliert.
Wir hatten großzügig eingekauft, sodass es keine Engpässe
gab. Die Tage vergingen wieder schneller, jeden Tag wurde
geschaut wieviel Meilen noch zu fahren sind und wo die
anderen Schiff sind. Die Segelstellung wurde optimiert, der
Kurs wurde kontrolliert.
Der Bordalltag hatte sich schon lange eingestellt. Die
wachfreie Zeit haben wir mit Lesen, Filmen schauen, Musik
hören, Hörbuch hören, Sudoku machen, verbracht. Am
Mittwoch der dritten Woche hatten wir nur noch 1000 sm zu
gehen und die Wettervorhersage sah gut aus. Der Passat hat
sich stabil eingestellt und sollte noch stärker werden. Die
nächsten 500 sm haben wir dann innerhalb von 3,5 Tagen hinter uns gebracht.
Die letzten 500 sm waren allerdings nochmal anstrengend. Der
Wind ist stärker geworden, die Welle höher. Ab Montag sind wir
dann ohne Großsegel nur mit Genua gefahren, haben trotzdem
gute Fahrt gemacht, der Wind war einfach zu stark um
“Schmetterling” zu fahren, da wir kein drittes Reff im Groß haben.
“Squalls” (Schauerzellen) sind jetzt an der Tagesordnung. Tagsüber
sind sie nicht so schlimm, manchmal lösen sie sich auch auf. In der
Nacht schalten wir das Radar an, mit dem wir herannahende
“squalls” gut erkennen können. Wenn ein “squall” kommt,
verstärkt sich der Wind deutlich, meistens um 10-15 kn. Meistens
hatten wir keine Winddrehung und mussten “nur” das Vorsegel
reffen. D.h. aber, dass die Nächte anstrengender wurden. Die
letzten 3 Seetage vergingen eh sehr langsam, da wir auf die
Ankunft gewartet haben und die Seemeilen einzeln gezählt
haben.
Montagnacht hatten wir dann über einige Stunden Beaufort
6, sobald der Wind stärker wird, bauen sich die Wellen weiter
auf und die Wasseroberfläche verändert sich. Die Wellenhöhe
betrag 3-4 Meter.
Die letzte Nacht auf See, die Nacht von Dienstag auf
Mittwoch, war dann um 0400 UTC für uns zu ende. Ein
“squall“ nach dem anderen zog über uns hinweg. Hermann
hatte ab 0100 UTC Wache gehalten und im Regen ausgeharrt.
Er war komplett durchnässt, die Hände und Füsse waren
komplett aufgeweicht. Wir hatten das Gefühl von “squalls”
umzingelt zu sein.
Wir hatten
ausgerechnet, dass wir am frühen Vormittag in der Rodney Bay
ankommen werden. Die Stunden vergingen nicht aber die Aufregung
stieg. Als es hell wurde war der Himmel bewölkt, erst ca. 10 sm von St.
Lucia entfernt, haben wir Land gesehen und zwar Martenique. Dann
hat sich die Bewölkung aufgelöst und die Sonne kam raus.
Wir haben übrigens das Land nicht vorher gerochen wie es oft
beschrieben wird.
Aber der Wind kam
ja auch von hinten!
Wir haben uns dann
per Funk bei der
“ARC finish line”
angemeldet und
wurden in die
Rodney Bay und über
die Ziellinie gelotst.
Die letzten Meter
über die Bucht
mussten wir gegenan
fahren, da er Wind von vorne kam. An der Ziellinie wurden wir von der
Crew der SY Teamgeist empfangen, die extra mit dem Dinghi
rausgefahren kamen und uns mit kaltem Bier versorgt haben. Auch
Oliver von SY JoEmi hat uns an der Einfahrt zur Marina empfangen. Wir
haben uns beim Hafen angemeldet, nach 24 Tagen auf See, die Leinen zum festmachen und die Fender
rausgesucht und alles für den Landfall vorbereitet.
Der Empfang im Hafen war gigantisch. Wir wurden
klatschend, mit Tröten und Hupen empfangen. Jeder freut
sich für den Anderen, das Abenteur gemeistert zu haben.
Wir bekamen unseren Liegeplatz zugewiesen und haben
angelegt. Viele helfende Hände warteten bereits am
Liegeplatz auf uns. Die Freude war groß, endlich wieder
festen Boden unter den Füßen zu spüren, endlich
angekommen zu sein und alle Bekannten wieder zu sehen
und die Erlebnisse und Eindrücke zu teilen.
Überglücklich haben wir unseren Früchtekorb und den 1.
Rumpunsch entgegengenommen, waren aber fix und
fertig, da die letzten Tage anstrengend waren.
Wir sind stolz auf uns, die Überfahrt gemeistert zu haben,
da wir eine der wenigen 2er Crews waren. Das Schiff hat keine
Schäden erlitten und wir sind gesund angekommen. Bis auf den
Verlust von ca. 50l Frischwasser am ersten Tag, hatten wir eine
Leine am Windpilot, die wir ersetzten mussten (Verschleiß), das
war alles.
Die erste Nacht im Hafen haben wir wie Steine geschlafen. Es hat
ein paar Tage gedauert, bis man wirklich ankommt und bis man
alles verarbeitet hat, wird es noch dauern.
Die nächsten Tage erholen wir uns, das Boot wird aufgeräumt und
geputzt, Wäsche gewaschen, Freunde besucht und andere
ankommende Boote Willkommen geheißen. Außerdem muss sich
der Körper noch an das tropische Klima gewöhnen.
Wir haben uns sehr über die vielen Mails gefreut, die uns erreicht
haben und dass uns soviele über den “Fleet Viewer” begleitet und mitgefiebert haben.
Das ARC Veranstaltungsprogramm geht hier weiter. Mittwochabend Cocktailparty, Donnerstag Ausflug nach
Anse del Raye auf die wöchentliche “Jump up” Party. Samstag Siegerehrung. Mit der Siegerehrung endet auch
offiziell die Veranstaltung der ARC. Danach verlassen einige Schiffe die Marina. Wir bleiben noch bis mitte
nächster Woche, werden dann 2 Tage in die Bucht rausfahren und ankern, um zu baden. Über Weihnachten
werden wir wieder in die Rodney Bay Marina gehen und mit den anderen Booten Weihnachten feiern. Zwischen
den Feiertagen werden wir dann südwärts fahren und die Karibik in vollen Zügen geniessen. Das sind die
kurzfristigen Pläne. Wohin die Reise dann gehen soll, müssen wir spätestens Ende Januar entscheiden. Es gibt
viele Optionen. Die zwei favorisierten sind 1. “weiter westwärts”, d.h. Richtung Panamakanal, Galapagos,
Südsee; 2. “zurück nach Europa”, d.h. im Mai über den Nordatlantik zu den Azoren, Madeira, Kanaren und dann
Mittelmeer. Wir werden sehen ...